Die Zeit, in der alles endet und alles wieder beginnt: „Capetiempe“Die Zeit rund um Allerheiligen und Allerseelen ist in den Abruzzen eine sehr wichtige und bedeutsame Zeit. Sie wird „Capetiempe“ genannt: eine Zeitspanne, in der alles endet und danach von Neuem wieder beginnt. Nachdem die Abruzzesi immer schon von Ackerbau, Viehzucht, Wein- und Olivenanbau gelebt haben, ist der bäuerliche Arbeitsalltag allgegenwärtig. Der Jahresablauf wird bestimmt von der Arbeit auf den Feldern und mit den Tieren und greift auch heute noch tief ins gesellschaftliche Leben in den Abruzzen ein. Denn wie bereits in den vorigen Blogartikeln erwähnt, sind sehr viele Menschen hier nebenbei oder hauptberuflich Bäuerinnen und Bauern. In jedem Freundeskreis gibt es Oliven- oder Weinbauern und beinahe alle haben Ihren „orto“, wo sie unglaublich erfolgreich das allerbeste Gemüse und Obst anbauen und ernten. Dadurch ist die Nähe zur Natur immer da und der Jahresablauf wird auch an Hand der angebauten Produkte erlebt. Nun, im November, ist die Erntezeit vorbei, alle haben in den letzten Monaten geschuftet und freuen sich nun über die Ernte für Ihre Mühen. Zu tun ist gerade nichts mehr am Feld - es beginnt die Zeit des Ausruhens, Wartens und des Erholen. Erst im Dezember beginnen die Feldarbeiten für den Winter. Diese Zeitspanne von 31. Oktober bis 11. November nennt man daher in den Abruzzen die „Capetiempe- Zeit“. Eine Zeit, in der das Alte endet, bevor das Neue wieder geschaffen werden kann. Auch Allerheiligen und Allerseelen mit dem Gedenken an die weltlichen Verstorbenen und an die Heiligen Verstorbenen ist ein wesentlicher Bestandteil des „Capetiempe“ iin den Abruzzen. Reich gedeckte Tische für die VerstorbenenDen Auftakt macht der 31. Oktober, der in vielen Teilen der Welt mit dem schaurigen Halloweensfest gefeiert wird. Auch in den Abruzzen wird Halloween gefeiert, aber eher von jungen Leuten und Kindern, die natürlich auch auf der Suche nach Süßigkeiten um die Häuser ziehen. Dabei fragen sie nach „dolcetto o scherzetto?!“ - wie in Österreich und Deutschland „Süßes oder Saures?!“ In der Nacht von 31. Oktober auf den 1. November beginnt dann „la festa dei morti“ - „das Fest der Verstorbenen“. Zu Allerseelen gedenkt man auch hier in den Abruzzen der Verstorbenen, aber gutes Essen und Trinken ist das Wichtigste! Gutes Essen - auch für die Verstorbenen! 😊 Dafür wird in der Nacht der Tisch schön gedeckt und mit guten Speisen und einer Karaffe Rotwein versehen, damit die Verstorbenen wissen, dass man sie nicht vergessen hat. In die Fenster werden Kerzen gestellt, damit die Verstorbenen den Weg gut sehen können. Diese Tradition kennt man bis heute und einige Familien in den Abruzzen führen den Brauch auch jährlich weiter. In früheren Zeiten aß man zu Allerseelen übrigens auch direkt auf den Friedhöfen neben den Gräbern und feierte lautstark. So hatten es die Verstorbenen nicht weit und alle konnten zusammen feiern. 😊 Das Essen, das damals übrig blieb, gab man den Armen des Dorfes. In den Abruzzen gibt es viele ungewöhnliche Traditionen und Rituale, die sich über Jahrhunderte gehalten haben. Davon habe ich Euch ja auch schon im Februar berichtet, wo man an nur einem Tag das Wetter für gesamte kommende Jahr bestimmen kann: an Santa Candelora. Oder die berühmte Notte di San Giovanni im März - Ihr erinnert Euch? Und was ist mit dem Kürbis? Auch der Kürbis 🎃 hat eine lange Tradition in den Abruzzen, er wurde ausgehöhlt und mit Kerzen versehen, damit die Verstorbenen auf dem so 🎃 beleuchteten Heimweg gut nach Hause fanden. Und mit dem leckeren Kürbisfleisch wurden gnocchi hergestellt oder fanden sich auf dem Teller mit Polenta wieder. Bitte 100 g Totenknochen!Bei uns in Österreich kennen wir den Allerheiligen-Striezel als süße Tradition für diese Feiertage. In den Abruzzen geht es etwas deftiger zu. Dort werden „Totenknochen“ gebacken und genüßlich verspeist „Le ossa dei morti“ heißt das liebliche Gebäck…😅 Hierbei handelt es sich um ein leckeres Mürbteiggebäck aus Mehl, geriebenen Mandeln und Zitronenaroma, das zu Fingern gerollt und mit Staubzucker betreut wird. Es sieht dann aus wie bleiche Fingerknochen. Die böse Pantafica…Und damit mein Bericht über die Allersselenfeierlichkeiten in den Abruzzen nicht einfach mit den „lieblichen“ Totenknochen endet, erzähle ich Euch noch was Gruseliges!
Zu Allerheiligen und Allerseelen kommen nicht nur die lieben Verstorbenen und die brave Heiligen vorbei… Nein, in den Abruzzen machen auch böse Kobolde, schlecht gelaunte Hexen und miese Geister die Nächte unsicher. Die Figur der „Pantafica“ lähmt ahnungslose Schlafende einfach so nebenbei. Aber es gibt Abhilfe! Lasst Ihr ein Glas Wein beim Bett stehen, von dem wird sie dann verrückt. Ein Besen oder ein Knoblauchzopf hinter dem Bett soll auch helfen… Also dann. Gute Nacht und schöne Träume! 😊😅
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AutorinMag. Karin Kisser-Cyran Bisherige Blogartikel
Januar 2023
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